Donnerstag, 11. März 2021

Die Einheit im Fühlen - eine Pferdegeschichte

Ende des letzten Jahres hatte ich mit einem Menschen zu tun, der gerade voller Ängste steckte. Ich konnte ihm in vielen Gesprächen nicht vermitteln, wie man die Angst leicht überwinden kann.Wie konnte ich ihn an das Gefühl von Einheit heranführen?

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, kam mir dazu eine Idee. Es war die Idee zu einer  Geschichte. Ich schrieb sie auf und schenkte sie dem ängstlichen Menschen.

Du darfst sie gern kopieren und selbst verwenden. Warum sollte sie nur einem Menschen helfen?

 

Die Hürde

Petra ist eine leidenschaftliche Reiterin. Sie geht mit ihrem Pferd auf den Reitplatz. Sie freut sich schon aufs heutige Training, denn sie will das Pferd daran gewöhnen, Hürden zu überspringen. Ihre größte Freude ist, sich Springreiter anzusehen, die elegant mit ihrem Pferd über Hürden aller Art springen.

Sie beginnt mit vielen Runden, bei denen sie das Pferd zu immer höheren Sprüngen animiert. Luftsprünge. Einfach so. Was für ein herrliches Gefühl!

Sie geht mit dem Pferd mit, das sich an die frühen Bocksprünge seines Fohlendaseins erinnert. Was für eine Lebensfreude!

Bald kann das Pferd so hoch springen, dass sie mit ihm auf den Platz mit den Hürden geht. Dort wählt sie eine recht niedrige Hürde aus. Das Pferd ist auf dem leeren Reitplatz schon viel höher gesprungen, als es hier bei der höchsten Hürde springen müsste. Trotzdem ist sie vorsichtig, fängt erst mal klein an.

Sie reitet mit ihrem Pferd auf die niedrige Hürde zu, doch fällt ihr ein, dass das Pferd wahrscheinlich beim Anblick der Hürde Angst haben könnte. Im selben Moment … das Pferd spürt eine Spannung in Petras Beinen. Es scheut, es bleibt abrupt stehen, Petra fällt fast herunter. Sie ist sauer. Das hatte doch schon so gut geklappt … vorher, auf dem leeren Reitplatz.

Sie nimmt erneut Anlauf … macht Druck …“komm, jetzt aber“ … das Pferd spürt den Druck und seine tief in ihm sitzende Springfreude wird eingesperrt.

So geschieht es viele Male, bis Petra aufgibt und das Pferd zum Stall zurückbringt. Sie hat Kopfschmerzen und gar keine Lust mehr zum Reiten.

Auch am nächsten Tag geht es ihr nicht besser.

Da das Pferd jeden Tag Bewegung braucht, bittet sie ihre Freundin Sophia, die auch ein Pferd im Stall hat, heute mal beide Pferde zu bewegen.

Sophia macht das gern, denn sie helfen sich immer gegenseitig, wenn mal Not am Mann ist.

Nachdem sie mit ihrem eigenen Pferd einige Runden geritten ist, danach auf dem Hürdenplatz ein paar Sprünge absolviert hat, holt sie Petras Pferd aus dem Stall. Dieses kommt ihr heute so merkwürdig freudlos vor. Sie bereitet es vor, sitzt auf, lässt es erst ein paar Runden gehen und spürt in den Körper hinein. Das Pferd geht unregelmäßig, alle Körperzeichen deuten darauf hin, dass es sich nicht wohl fühlt. „Wie seine Besitzerin?“, denkt Sophia.

Da es Sophia gut geht, beginnt sie, ein Lied zu pfeifen. Sie bewegt sich wie das Pferd, geht mit, pfeift fröhlich vor sich hin, lässt sich in die Gangart des Pferdes hineinfallen. Als sie sich vollständig im gemeinsamen Rhythmus mit ihm fühlt, der sich sehr unregelmäßig anfühlt, führt sie das Pferd ganz langsam in ihren eigenen, harmonischen Rhythmus über. Ohne Druck … „du kannst“ … sagt sie leise. „Du kannst locker gehen. Du KANNST! Denn du konntest es schon immer. Er-INNER-e dich. Damals – als kleines Fohlen. Wie fröhlich du über die Wiese gesprungen bist. Nichts hätte dich davon abhalten können. Du KANNST es. Auch JETZT!“

Sophia fühlt, dass sich in den Muskeln des Pferdes etwas tut. Sie fühlen sich langsam weicher an. Fröhlich pfeift sie ein neues Lied, reitet locker in der Runde. Das Pferd wird immer freier.

Da entscheidet Sophia, mit dem Pferd einen Ausflug zu machen.

Die Sonne scheint, der Himmel ist leuchtend blau, die Morgenluft riecht nach frischen Kräutern. Sie verlässt den Reitplatz und gibt dem Pferd freien Lauf. Da erINNERt sich das Pferd – an eine Wiese mit hohem Gras, mit blühenden Blumen und Insekten darin, an Morgenluft und eine große Stute, die zu ihm gehört. Eine längst verschüttete innere Freiheit breitet sich in ihm aus. Es ist NUR ein Gefühl, aber es ist DA! Und dieses Gefühl, ja, diese Gefühlserinnerung, die sich in seinem ganzen Körper ausbreitet, will sich nach außen Bahn brechen. Das Pferd beginnt zu traben, dann wechselt es in den Galopp. Sophia  lässt alles zu, was das Pferd macht. Sie spürt seine neu erwachte Freude und lässt ihr ihren Lauf.

Am Rand der großen Wiese ist ein Zaun gebaut, der verhindern soll, dass die Pferde, die hier ab und zu weiden dürfen, die Fläche verlassen und in den Wald verschwinden, der dahinter liegt.

Das Pferd galoppiert und galoppiert. Sophia weiß, dass sie es beizeiten bremsen muss … der Zaun kommt näher und näher. Doch sie lässt dem Pferd seine eigene Entscheidung.

Es ist zu spät … sie lässt die Zügel locker … und … das Pferd SPRINGT!!! Es springt über den hohen Wiesenzaun, springt voller Elan, voller Freude … verfällt danach in Trab, dann in Schritt, bleibt stehen. Es dreht sich um. Es schaut aus dem Wald heraus auf die Wiese.

In diesem Moment wissen beide, dass in dem Pferd ein Tor aufgegangen ist:

Ich KANNKANNKANN!

Und Sophia, die vermutlich einige Eigenschaften einer Pferdeflüsterin hat, weiß, dass NUR DAS GEFÜHL diese Fähigkeit HERVOR-GERUFEN hat, die nur in dem Pferd verschüttet war.

 yin-yang-balance@arcor.de 16.12.2020

 

Den Rest der Geschichte (Zusammenführung von Pferdebesitzerin und Pferd) mag sich der Leser selbst ausmalen … aber bitte … gerne …

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen