Montag, 29. Juni 2015

Kleiner Freund Buchfink

Wir - mein Mann und ich - saßen auf einer Bank am Steinhuder Meer. Wir hatten die Räder mitgenommen, das Meer fast zur Hälfte umrundet und machten auf einer derben Holzbank im Schatten etwas Rast. Unser Blick fiel über die scharfen und spitzen Silhouetten von hohen Gräsern auf der gegenüberliegenden Seite des Weges auf eine weite Grasfläche, in großer Ferne dahinter wuchs eine Mischung aus Laubbäumen. Hinter uns, also hinter den vier Bänken, von denen eine die war, auf der wir saßen, wuchsen Büsche und verschiedene Bäume, die dem Platz Schatten spendeten.

Wir hatten uns gerade hingesetzt und ich setzte meine Wasserflasche zum Trinken an, als ein Buchfink etwa zwei Meter rechts von uns unter einer Bank her gehüpft kam. 

Er hüpfte zuerst etwas unentschlossen herum.

Als ich ihn erblickte, umhüllte ich ihn mit einer unsichtbaren Kugel der Freude und der Liebe, die aus meinem Herzen kam.

Er hüpfte näher, schaute mich direkt an. Die Freude in meinem Herzen nahm zu. Er war so zart, wirkte so vertrauensvoll, so dass ich ihn ansprach: "Ja, komm doch näher, du Hübscher! Was für eine schöne Zeichnung dein Gefieder doch hat."

Es war wie eine besondere Form der Kommunikation, die nun begann. Er traute sich immer näher heran, saß höchstens einen halben Meter von meinem rechten Fuß entfernt und begann, ganz zart und leise zu singen. Ich kann in Worten kaum ausdrücken, was ich empfand. Das Wort "verzückt" trifft es vielleicht noch am besten. Auch mein Mann lächelte vor Freude.

Dann kamen einige Fahrradfahrer vorbei und der Vogel verschwand unter der Bank und flog dahinter hoch in einen Baum. Er hinterließ mich mit einem Herzen voller Freude ...

Wir stiegen aufs Rad und fuhren weiter.

Nicht weit entfernt war vom Radweg aus ein Holzsteg durchs seitliche Gebüsch gebaut. "Aussichtspunkt" stand dort auf einem Schild. Ich wusste von einer früheren Radtour, dass der Steg an einem mit einer Holzwand begrenzten Podest oberhalb von zwei Teichen endete. Den wollte ich auf jeden Fall noch einmal gehen. Dieses Mal ging ich allein. Mein Mann passte auf die Räder auf.

Leise - ich hatte weiches Schuhwerk an - schlich ich über die Holzplanken und flüsterte vor mich hin: "Ihr Tiere, bitte kommt in meine Nähe. Ich mag euch sehr und ihr dürft mir vertrauen."

Als ich an dem Aussichtspunkt ankam, umfing mich der ganze Zauber der beiden Teiche, deren Oberfläche viele Seerosenblätter bedeckten, zwischen denen hier und da bereits Blütenknospen aufgegangen waren. Was für ein Bild!

Ich hörte Frösche quaken und Vögel auf der anderen Seite des Wassers in den Bäumen singen. Blaue Libellen schwebten in Zickzackbewegungen über das Wasser. Hier und da bildeten sich konzentrische Ringe auf dem rechten Teich und ich wollte wissen, was denn da wohl schwimmt. So ging ich die ca. 50 m zurück zum Rad und holte das mitgenommene Fernglas aus meiner Fahrradtasche.

Schon auf dem Weg zurück zum Rad war mir eine ältere Radfahrerin begegnet, die ich auf ca. 70 Jahre schätze. Sie wirkte sehr energisch, trug nur ein farbiges Bikinioberteil auf kräftig brauner Haut, dazu eine kurze Hose. Ihr Ziel sei die Nordsee, so hatte sie meinem Mann erklärt. Ganz allein mit nur zwei Fahrradtaschen seitlich am Gepäckträger. Alle Achtung! 

Nachdem ich mein Fernglas geholt hatte, ging ich zu dem Aussichtspunkt zurück, der älteren Dame folgend. Auf dem Podest führten wir ein kurzes Gespräch über die Schönheit dieses besonderen Platzes, der dadurch entstanden war, dass man das dortige Moor durch Torfstich abgebaut hatte. Die tiefen Mulden füllten sich dann mit Wasser und verlanden nun nach und nach wieder.

Die Dame suchte nach dem Sonnentau, einer Fleisch fressenden Pflanze, die man hier antreffen solle. Ich schaute auch mit, doch ist die Pflanze zu klein, um von so einem hohen Punkt aus entdeckt zu werden. Das direkte Betreten des Geländes war aber unerwünscht. Schade ...

Wir gingen unter den Bäumen auf dem Holzsteg zurück zu unseren Rädern, als die Dame plötzlich zu mir sagte: "Da, direkt vor Ihnen, auf dem Ast dort oben, saß gerade ein kleiner Vogel und schaute auf Sie herab."
"Oh", sagte ich, "den habe ich gar nicht gesehen. Was war es denn für einer?"
"Leider kenne ich mich mit Vogelarten nicht so gut aus", meinte sie und erzählte mir dann von ihrer Tochter, die so tolle Fotos von Vögeln mache.
Während sie noch erzählte, sah ich einen dunklen Schatten durch den Baum über mir hüpfen und der Vogel fing an, sich akustisch bemerkbar zu machen:

Es war ein ... na, was wohl?

HIER kann man ihm zuhören (dem Stellvertreter für meinen kleinen Freund Buchfink).

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