Vierte Stunde … Deutsch steht auf
dem Stundenplan der Klasse 3. Heute geht es um ein Thema, das schon letzte
Woche angekündigt war, denn die Kinder sollten bis zum heutigen Tag Witze
sammeln. Witze von Kinderseiten aus Zeitschriften, von anderen Menschen
erzählte Witze (aber nur „saubere“), Witze aus Kinderwitzebüchern. Ein oder
zwei Witze sollten sich die Kinder merken, einen auch aufschreiben.
Nun ist es endlich so weit.
Alle versammeln sich im
Stuhlkreis, bringen ihre Hefte mit und tuscheln sich gegenseitig schon die
ersten Witze zu oder machen sich Gedanken über mögliche Reaktionen der
Mitschüler.
Als erfahrener Lehrerin ist mir
klar, dass hier und da auch schon ein schmutziges Witzlein lauert. Mein Herz
kichert bereits, denn Kinder lieben es, ihre Grenzen auszutesten.
So bin ich auf alles gefasst.
Aber nur nicht auf das, was dann folgt.
Nachdem ein paar harmlose Witze
erzählt oder vorgelesen sind, man mehr oder weniger laut gelacht und bei jedem
Witz gemeinsam überlegt hat, was denn jeweils die Pointe bzw. was daran
eigentlich zum Lachen sei, kommt Tommi, ein gemütlich runder Knirps mit fast
ununterbrochenem Grinsen im Gesicht, an
die Reihe. Aufgeschrieben hat er nichts. Seine Schreibunlust zieht sich durch
alle Fächer.
„Na dann“, sage ich, „Tommi, dann
erzähl uns mal deinen Witz.“
Tommi holt tief Luft und wir
horchen gespannt dem Jungen, der von sich selbst so häufig sagt: „Ich bin ein
lustiger Typ.“ Was er uns wohl mitgebracht hat?
Tommi zuzuhören ist allein schon
deshalb lustig, weil er alle s-Laute so nett lispelt. Ich schreibe sie daher
mit englischem -th-.
„Althooooooo,“ (er holt tief
Luft) „altho da war mal ein Baby …“
Alle schauen gespannt …
„Althoooo …“ (er holt wieder tief
Luft) „dath Baby, dath ith Trampolin gesprungen …”
Pause. Tommi schaut
erwartungsvoll in die Runde.
Alle blicken gespannt in seine
Richtung, Tommi dagegen guckt enttäuscht von einem zum anderen. In seinem
Gesicht zeichnet sich ein großes Fragezeichen ab.
„Und weiter, Tommi? Wie geht es denn
weiter?“, frage ich.
„Tholl ich noch einen erthählen?
Na gut.“ (tiefes Luftholen) „Althoooooooooo … (vorfreudiges Grinsen) … ein Baby
fährt Trecker.“
Kurze Pause. Dann
schenkelschlagendes Gelächter im ganzen Zuhörerkreis.
Kein einziger der vorher erzählten
Witze zeitigte einen solchen Lacherfolg wie Tommis zwei Babywitze. In diesem
Moment bin ich froh, dass Tommis Gemüt noch so kindlich und er selbst wegen
seiner kindlichen Art bei allen Mitschülern und Mitschülerinnen so beliebt ist.
Sonst wäre er in diesem Moment sicher beleidigt gewesen.
Seitdem allerdings unsere
Nachbarn ein kleines Mädchen haben, das mit seinen fast zwei Jahren inzwischen
mit seinen beiden Brüdern auch auf dem großen Trampolin springen darf, kann ich
Tommi sehr gut verstehen.
Mein Witz:
„Alsoooo … also da ist ein
kleines Mädchen, das ist fast noch ein Baby. Alsooo, das Mädchen, das wird auf
dem Trampolin von seinen beiden größeren Brüdern mitgesprungen.“
Pause …
Wie? Keiner lacht???
UN 2016
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