Montag, 25. Mai 2015

Ein bemerkenswerter Tag - Sonntag, 14.11.2010

Was für ein Tag!
Was für ein Wochenende überhaupt!

Es begann mit einer überaus lauten und freudigen Begegnung am Freitag.

Dazu muss ich erst etwas ausholen:

Während meines Krankenhausaufenthaltes im Januar dieses Jahres durfte ich an einem Tag zum ersten Mal mein Zimmer verlassen. Am Morgen war die Angestellte eines örtlichen Sanitätsgeschäftes in meinem Krankenzimmer aufgetaucht und hatte sich erkundigt, welche Farbe meine Gehhilfen haben sollten. Mittags lagen sie dann auf dem Tisch meines Zimmers - noch eingeschweißt in Folie - nigelnagelneu. Ich war ganz aufgeregt ... ich würde mit diesen Gehhilfen seit meiner ersten Operation (zwei sollten zwecks endgültigen Verschließens meines unterschenkellangen Schnittes noch folgen) zum ersten Mal das Krankenzimmer verlassen können.
Nach vorsichtigen Gehversuchen wagte ich die Tür zu öffnen. Einmal auf den Flur und um die Ecke schauen ... dieses Gefühl - unbeschreiblich!
Und dort stand SIE ... eine Frau in kirschrotem Bademantel, in der Hand an einem Tragegriff einen durchsichtigen Behälter schlenkernd, in dem eine etwas verwässerte rote Flüssigkeit schwappte. Wir sahen uns in die Augen ... und es war geschehen.
Auf der Stelle entspann sich ein Gespräch zwischen uns - über unser beider Malheur, über Lebensmalheur schlechthin, über den Grund unseres Aufenthalts in der Unfallstation dieser Klinik. Sie hatte mehrere Rippen gebrochen, nachdem sie zuhause zwischen Badewanne und Toilette gestürzt war, ich hatte ein Kompartmentsyndrom und war daher am Unterschenkel operiert worden.
Da ich noch sehr wackelig auf den Beinen war, bat ich sie, ob wir uns zwecks Fortführung des Gesprächs nicht am Ende des Flurs auf die beiden Besucherstühle setzen wollten. Ja, so taten wir es.
Nach kaum einer Viertelstunde meinte sie: "Ich heiße Edda und du?" Sie entschuldigte sich fast für ihren seltenen Namen, den viele nicht kennen würden.
Zu den vielen gehörte allerdings nicht ich. Umgehend erklärte ich ihr, dass mir der Name sehr wohl bekannt sei. Man muss dazu wissen, dass die erste Freundin meiner Kindheit so hieß. Ich war damals noch im Kindergartenalter.
So schnabulierten wir noch eine ganze Weile und verabredeten zukünftige weitere Besuche. Ich muss jetzt nicht erwähnen, dass sich diese über den Krankenhausaufenthalt hinaus erstreckten und auch lange Zeit nicht abgerissen sind.
Edda wohnte eine knappe halbe Stunde mit dem Auto von mir entfernt und im Alltag sahen wir uns nur selten. Sie schrieb keine Mails, also gab es ab und zu mal ein Telefongespräch, einen Geburtstagsbesuch oder wir schrieben uns auch mal ein Kärtchen, was sie ganz besonders gern tat, weil sie leidenschaftlich gern Sprüchekarten kaufte.
An meinem Badezimmerspiegel hing lange Zeit so eine Karte:

Wer Schmetterlinge lachen hört, weiß wie Wolken schmecken.

Nachdem ich nun mal wieder wochenlang nichts hatte von mir hören lassen (ich war im Gegensatz zu ihr berufstätig und zudem leidenschaftlich "verhobbyt"), stand ich einmal vor dem Zubettgehen vor dem Spiegel und schaute -  wie jeden Abend -  auf Eddas Karte. Also nein, schon wieder ein Tag vergangen! Wieder nicht bei Edda angerufen! Zu spät ... um Mitternacht ruft man niemanden mehr an. Nicht mal eine gute Freundin. Und doch ... es war nun genug!
Ich ging in mein Büro, suchte eine schöne Briefkarte, schrieb ihr ein paar Zeilen und machte diverse Vorschläge, wann man sich mal wieder sehen könnte. Unter anderem schlug ich eine Begegnung in einem etwa in der Mitte zwischen uns gelegenen Waldcafé vor, wo ich mit meinem Mann fast jeden Freitag Nachmittag das Wochenende einläute.
Den frankierten Brief legte ich im Flur auf ein Tischchen und bat meinen Mann am nächsten Morgen, ihn doch für mich einzustecken. Das war am Donnerstag. Am Abend fragte ich ihn: "Hast du den Brief für mich eingesteckt?!" -  "Ja, hab' ich  ..."
Am Freitag fuhren wir dann in besagtes Café, wo wir auch regelmäßig eine Bekannte trafen, die auch strickt und mit der ich neue Strickideen austauschte.
Plötzlich stieß mein Mann mich an und sagte: "Guck mal raus, Edda kommt."
Ich sprang auf ... jubelte vor Freude. Endlich sahen wir uns mal wieder! Es hatte geklappt mit dem Brief! Sie hatte meine Vorschläge gelesen und hatte einen davon gleich realisiert.
Zu meinem Mann sagte ich: "Wie findest du das denn? Da schreibe ich ihr einen Brief und prompt kommt sie zu einem der vorgeschlagenen Orte."
Daraufhin er: "Den Brief kann sie ja noch gar nicht haben." - "Wieso, du hast ihn doch gestern eingesteckt???" - "Nein, ich habe ihn nur gestern in das Seitenfach meiner Wagentür gesteckt, in den Briefkasten habe ich ihn erst heute Morgen [Freitag] gesteckt."
Ich war platt! Nein, sie konnte ihn wirklich noch nicht haben.
Edda kam rein, juchzte laut auf, wir umarmten uns stürmisch und in einer für das Café sicher nicht kompatiblen Lautstärke. Dann erzählte ich ihr von meinem Brief, den sie noch nicht bekommen hatte.
"DAS IST TELEPATHIE!", rief sie begeistert und umarmte mich nochmals. Wir konnten es kaum fassen ...

So begann dieses Wochenende ... das Einläuten war ein wirklich mystisches Erlebnis.

Doch war das noch nicht alles.

Eines Morgens stand ich wieder vor besagtem Badezimmerspiegel und betrachtete die Karte von Edda: Wer Schmetterlinge lachen hört ... hi hi hi ...
Da kam mir plötzlich eine Idee. Ich sah vor meinem geistigen Auge ein Strickstück, ein Schmuckstück für den Hals aus Wolle, das ich mit der Maschine fertigen könnte. Ich hatte noch ein Restknäuel melierten Garns in Schwarz-Weiß. Dazu gehörten einfach alle Regenbogenfarben. Alles, was dann kam, lief ab wie von höherer Hand geführt.

Ich trocknete mir zügig die Haare und verschwand in meinem Strickstudio. Mein Schatz lag noch schlummernd im Bett. Ich war nur so früh aufgestanden, weil ich vor dem Frühstück schon einige Dinge erledigen wollte, doch kam es dann ganz anders.
Ich buddelte in meinen Wollkisten ... ja, ich fand sie alle, die sieben Regenbogenfarben. Auch noch alle von einer Garnqualität. Wie jetzt weiter? Ich überlegte nicht lange, es kam mir alles wie zugeflogen. Ich setzte mich an die Strickmaschine und überlegte mir, wie dick das eingerollte Band werden sollte. Dazu nahm ich ganz grob Maß an meinem Karius NORDICA. 20 Maschen würden reichen. Dann überlegte ich, wie die Farben angeordnet werden sollten. Kein Problem ... wie die Farben des Regenbogens halt. Für die Reihenzahl wählte ich 56, das entsprach einem Stück an meinem Karius, das ich für richtig hielt. Und schon legte ich los. Es ging unwahrscheinlich schnell. Die Maschine machte keinen Fehler. Ich hatte meine Morgenschulterarmgymnastik und freute mich über das Farbenspiel. Immer, wenn ein farbiger Abschnitt fertig war, knotete ich die entstehende Schnur einmal und strickte weiter. Nachdem alle Farben einmal verstrickt waren, nahm ich die Maschen auf eine Nadel und nähte nach sorgfältigem Sortieren von Anfang und Ende der Schnur das Strickstück im Maschenstich zusammen.
Ich legte es mir dreifach um den Hals ... wow! Ein Schmuckstück, das ich einfach mal so vor dem Sonntagsfrühstück kreiiert und fabriziert habe. Was für ein Tag!
Ich zog mich noch einmal um. Zu dem gerade fabrizerten Strickschmuck gehörte nun etwas Schwarzes oder bestenfalls Graues. Meinen lieben Mann überraschte ich am Frühstückstisch mit einem vorher noch nicht da gewesenen Anblick. Er fand's schön, das neue Schmuckstück - gefertigt aus ein paar Resten, von denen keiner vorzeitig zur Neige ging. Aus jedem Rest ließen sich die erforderlichen 56 Reihen stricken.

Am Nachmittag unternahm ich mit meinem Mann einen kleinen Ausflug in die Natur. Vorher nochmal zum Spiegel ... sitzt das Haar? Okay ... aber das Schmuckstück ist so eng am Rollkragen - kann man das nicht anders machen?

Und dann passierte wieder etwas Verrücktes:
Ich nahm den Endlosschlauch vom Hals, drehte ihn irgendwie anders, legte ihn wieder um und sah, dass sich von selbst eine bemerkenswerte Anordnung ergeben hatte. Ja, die 7 ist wirklich eine heilige Zahl. Unten hatte ich nun den gelben Knoten vor der Brust, an den beiden Seiten jeweils zwei im Farbenkreis eher voneinander entfernte Farbenpaare: Grün+Violett, Rot+Türkis, Orange+Indigo. So hatte es sich ganz zufällig (oder wie von einer höheren Macht gelenkt) ergeben.

Nun muss man noch wissen, dass für mich die Farbe GELB (Sonne) und die Zahl 7 eine besondere Bedeutung haben. Die 7 ist nicht nur meine Hausnummer, sie begegnet mir auch in vielen anderen Zusammenhängen und heute – da ich dies schreibe - gleich doppelt, denn wir haben den 14.11.! Die Quersumme dieses Datums ist zudem auch noch 7 (1+4+1+1=7). Das Herz unseres Hauses - die Diele - ist sonnengelb gestrichen und keine andere Farbe wäre dort für mich denkbar. Und ... schon bemerkt? Die 56 (Reihen) beinhalten gleich 8 mal ( = Zahl der Unendlichkeit) die 7.

Hier kommt nun endlich das gestrickte Werk:



JETZT gerade – während ich dieses schreibe - ist es 20:22 und auf dem Rückweg vom heutigen Ausflug machte mich mein lieber Mann zur Krönung der Story noch auf einen schnapsigen Tachostand unseres Autos aufmerksam:

154 451

Und all das habe ich nicht erfunden, sondern so erzählt, wie es sich zutrug.


Als wir übrigens von unserem Ausflug wieder zurückkehrten und die Haustür aufschließen wollten, stellten wir fest, dass ich sie zwar zweimal abgeschlossen hatte, aber ohne dass vorher das Schloss eingeschnappt war. So hatte sie mindestens zwei Stunden lang angelehnt gestanden und der gute Geist des Hauses hatte dafür gesorgt, dass es unbemerkt geblieben war. Au weia! Ein netter Nachbar, der das möglicherweise entdeckt hätte, hätte die Tür noch nicht einmal zuziehen können. 

© UN 14.11.10

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