Samstag, 23. Mai 2015

Die Feuerschutzameisen

Eine meiner Kolleginnen liebte das Reisen in südliche Länder, mitten im Sommer, bei unerträglicher Hitze, um dort wochenlang zu wandern.
Zum ersten Mal – sie war etwa 60 Jahre alt - hatte sie im Sommer 2006 einen Chihuahua dabei, der nach dem Tode ihres ersten Hundes erst ein Jahr lang bei ihr lebte. Es war ihre erste Wanderung mit Hund.
Auf dem Rücken trug sie ihr sorgfältig aufs Nötigste reduzierte Gepäck. Darunter befand sich auch ein Zelt, für den Fall, dass sie kein Zimmer finden würde.
In jenem Jahr führte ihr Weg nach Spanien. Dort wollte sie an der Küste wandern. Als gut trainierte Wanderin schaffte sie oft 20 bis 30 km am Tag.
Was sie vorher nicht gewusst hatte ... in Spanien lassen die meisten Busfahrer keine Hunde mit in den Bus. Dies war eine üble Regelung für sie, denn sie fuhr häufig kleine Streckenabschnitte der Gesamtstrecke mit dem Bus oder sie wanderte von einem Hotelzimmer aus eine Strecke und fuhr am Abend mit dem Bus zum Hotel zurück.
Sie musste daher die Busfahrer austricksen:
Bei sich trug sie eine Hundereisetasche – quasi eine Hundehütte aus Stoff, die vorn eine Öffnung zum Rausschauen hat. Ihre Busfahrten verliefen dann so: Sie sagte ihrem Hund eindringlich, er müsse während der Fahrt ganz still sein und dürfe nicht bellen. Dann hielt sie ihren Sonnenhut vor die Öffnung der Tasche und stieg ein.
Kein Mitfahrender hätte sie angezeigt, doch musste sie aufpassen, dass der Busfahrer nichts merkte. Dies ist ihr während der ganzen fünfwöchigen Reise immer gelungen. Der Hund war mucksmäuschenstill und sie hat so jede Fahrt ohne Zwischenfälle überstanden.
Das zweite Problem war die Zimmersuche bzw. die Aufnahme auf einem Zeltplatz. Mit Hund hatte sie dies noch nie erprobt. In Spanien ist es außerordentlich schwierig, ein Zimmer zu bekommen, wenn man einen Hund bei sich hat. Auf Campingplätzen hat man das gleiche Problem. Hotels wollen, dass ihre Gäste sich ungestört fühlen und ohne Hundegebell schlafen können. Das gleiche Argument bekommt man bei Zeltplatzverwaltern zu hören.
So war die Kollegin froh, wenn sie irgendwo eine Zusage bekam und blieb wegen dieses Stresses, der bei der Zimmer- oder Zeltplatzsuche entstand, wenn möglich, immer zwei Nächte an einer Stelle.

Einmal erlebte sie dabei folgendes:

Sie hatte eine Nacht auf einem Zeltplatz verbracht. Während der Nacht musste sie sich mit vielen Ameisen herumplagen und überlegte so am nächsten Morgen, ob sie ausnahmsweise nicht doch lieber nur eine Nacht hier verbringen solle. So brach sie ihr Zelt ab und wanderte weiter. Am Endes dieses Tages war es wieder einmal sehr schwierig, ein Zimmer zu finden. In dem einzigen Hotel, in dem sie eine Zusage bekam, kostete das für sie frei stehende Zimmer 77 €, ein hoher Preis für ein Einzelzimmer. Sie ärgerte sich sehr, doch konnte sie nicht länger suchen, da es schon spät war. Also nahm sie das Zimmer und ärgerte sich bis zum Einschlafen.
Am nächsten Morgen schaltete sie den Fernseher an und sah die spanischen Nachrichten ...

Sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen, denn plötzlich kam ihr das, was dort gezeigt wurde, sehr bekannt vor. Es wurde von einem Campingplatz berichtet, auf dem in der Nacht ein riesiges Feuer ausgebrochen war. Es war genau der Platz gewesen, den sie am Morgen des Vortages wegen der vielen Ameisen verlassen hatte.
Hubschrauber waren in der Nacht zum Löschen ausgeflogen. Es waren Bilder von Menschen zu sehen, die zum Meeresufer geflüchtet waren, um dem Feuer zu entkommen. Keiner von ihnen hatte etwas bei sich. Sie waren so, wie sie gerade gekleidet waren, losgelaufen ...

In diesem Moment explodierte ein riesiges AHAAAA in ihrem Geiste ...

Sie dankte den lästigen Ameisen und der Hotelzimmerpreis sank in ihrer Beurteilungsskala auf niedrigste Stufe. Wie günstig doch dieses Zimmer für sie gewesen war im Verhältnis zu den Unannehmlichkeiten, die sie als Ausländerin ohne Geld, Papiere und Wanderutensilien gehabt hätte!

Und die Moral von der Geschicht ...
erkennt ein jeder (oder nicht?)


© UN 23.5.15

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