Montag, 25. Mai 2015

Der etwas andere Schulabschlussgottesdienst

Als ich noch im Schuldienst war, gab es in meiner Klasse einen nervigen kleinen Wonneproppen, der mein sonst vielleicht grau-fades Lehrerdasein täglich (vielleicht sogar stündlich) mit Wonneproppeligem würzte (was seine sonstige massive Dickfelligkeit wenigstens ein bisschen ausglich).

Eines Tages saßen wir zusammen im Schuljahresabschlussgottesdienst.
Wonneproppel bekam nichts vom eigentlichen Geschehen mit, wusste aber bestens über alles Bescheid. Allerdings auf seine ganz spezielle Weise.

Es wurde gerade die Hostie gesegnet, als er den Blick zur Kirchendecke hob, an der direkt über uns ein riesiger Eisenring mit Glühbirnen hing.
Zum besseren Erfassen des Folgenden empfehle ich, seine Rede mit leicht gelispeltem s zu sprechen, die drei Punkte dienen jeweils einem erneuten Luftholen.
"Wenn ... wenn ... also wenn die mal da einen S-tein rausziehen, dann fällt die Lampe runter, nä?"
Ich wollte ihn irgendwie ins aktuelle Geschehen mit einbeziehen und erzählte ihm vom Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern, denn gleich sollten einige Erwachsene und ältere Kinder nach vorn zur Feier der Eucharistie gehen.
Wonneproppel ist nicht getauft. Kirche und Gottesdienst sagen ihm so viel, als wäre er ein Außerirdischer, der nicht ein Fitzelchen Ahnung von dem hat, was die Menschen dort treiben.
Ich erklärte ihm: "Jesus feierte damals, bevor er gekreuzigt wurde, ein letztes Abendmahl mit seinen Freunden."
"Die ... die haben da ... die haben da den Tod gefeiert?"
Kinderlogik! Ja, was ist das denn auch für ein Blödsinn? Den bevorstehenden Tod zu feiern - hatte er nicht Recht? Ich erzählte ihm also von Wein und Brot, die für Blut und Fleisch Christi stehen. Ich merkte, dass das für ihn alles böhmische Dörfer waren. Daher wollte ich ihm wenigstens etwas Konkretes erklären:
"Das, was der Pfarrer da in der Hand hält, ist aus Mehl und Wasser gebacken und das heißt Hostie."
Er: "Ach ... ach ... ach das is ja Esspapier ... ach ... mehr können die sich hier wohl nich erlauben, was?"
Ich musste mich wegdrehen, weil ich ein Grinsen nicht unterdrücken konnte. Herrje, diese erfrischend kindliche Interpretation! Ein Juwel in meinem beruflichen Alltag!
Dann drehte er sich plötzlich ganz zu mir hin, schaute mich mit seinen schönen braunen Augen an - so ehrlich und direkt - und meinte:
"Du ... du ... hm ... Gott hat Gott selbst auserwählt, nä? Sonst könnte er ja nich Gott sein."
Wow!!! Braucht der die Kirche??? Der kleine clevere Gott-im-Kind?
Da blieb dem Gott-in-Lehrerin nur ein ehrliches Staunen und ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit für so ein Geschenk in der eigenen Klasse.

Dann wandte ich mich nach rechts, denn zugehört wurde von dort auch nicht. Ein Mädchen, das den Namen Städtische Katholische Grundschule in seinen ersten zwei Schuljahren oft genug gehört hatte, wollte ich auch gern einbeziehen, sein Interesse am Gottesdienst wecken. Es besuchte schließlich die katholische Schule.
Daher fragte ich: "Und du? Bist du eigentlich evangelisch oder katholisch?"
"Hm ... ich weiß nicht ... hm ... was ist denn städtisch?“
Ist das nicht wunderbar? Und im nächsten Jahr bekommen wir noch eine neue Konfession dazu. Welche wohl?
Na – Gemeinschafts natürlich! Allerdings wird Katholisch dafür abgeschafft …


© UNik 13.7.10

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