Der etwas andere Schulabschlussgottesdienst
Als ich noch im Schuldienst war, gab es in meiner
Klasse einen nervigen kleinen Wonneproppen, der mein sonst vielleicht
grau-fades Lehrerdasein täglich (vielleicht sogar stündlich) mit
Wonneproppeligem würzte (was seine sonstige massive Dickfelligkeit wenigstens
ein bisschen ausglich).
Eines Tages saßen wir zusammen im
Schuljahresabschlussgottesdienst.
Wonneproppel bekam nichts vom eigentlichen
Geschehen mit, wusste aber bestens über alles Bescheid. Allerdings auf seine
ganz spezielle Weise.
Es wurde gerade die Hostie gesegnet, als er den
Blick zur Kirchendecke hob, an der direkt über uns ein riesiger Eisenring mit
Glühbirnen hing.
Zum besseren Erfassen des Folgenden empfehle ich, seine
Rede mit leicht gelispeltem s zu sprechen, die drei Punkte dienen jeweils einem
erneuten Luftholen.
"Wenn ... wenn ... also wenn die mal da einen
S-tein rausziehen, dann fällt die Lampe runter, nä?"
Ich wollte ihn irgendwie ins aktuelle Geschehen mit
einbeziehen und erzählte ihm vom Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern, denn gleich
sollten einige Erwachsene und ältere Kinder nach vorn zur Feier der Eucharistie
gehen.
Wonneproppel ist nicht getauft. Kirche und
Gottesdienst sagen ihm so viel, als wäre er ein Außerirdischer, der nicht ein
Fitzelchen Ahnung von dem hat, was die Menschen dort treiben.
Ich erklärte ihm: "Jesus feierte damals, bevor
er gekreuzigt wurde, ein letztes Abendmahl mit seinen Freunden."
"Die ... die haben da ... die haben da den Tod gefeiert?"
Kinderlogik! Ja, was ist das denn auch für ein
Blödsinn? Den bevorstehenden Tod zu feiern - hatte er nicht Recht? Ich erzählte
ihm also von Wein und Brot, die für Blut und Fleisch Christi stehen. Ich
merkte, dass das für ihn alles böhmische Dörfer waren. Daher wollte ich ihm wenigstens
etwas Konkretes erklären:
"Das, was der Pfarrer da in der Hand hält, ist
aus Mehl und Wasser gebacken und das heißt Hostie."
Er: "Ach ... ach ... ach das is ja Esspapier
... ach ... mehr können die sich hier wohl nich erlauben, was?"
Ich musste mich wegdrehen, weil ich ein Grinsen
nicht unterdrücken konnte. Herrje, diese erfrischend kindliche Interpretation!
Ein Juwel in meinem beruflichen Alltag!
Dann drehte er sich plötzlich ganz zu mir hin,
schaute mich mit seinen schönen braunen Augen an - so ehrlich und direkt - und
meinte:
"Du ... du ... hm ... Gott hat Gott selbst
auserwählt, nä? Sonst könnte er ja nich Gott sein."
Wow!!! Braucht der die Kirche??? Der kleine clevere
Gott-im-Kind?
Da blieb dem Gott-in-Lehrerin nur ein ehrliches
Staunen und ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit für so ein Geschenk in der
eigenen Klasse.
Dann wandte ich mich nach rechts, denn zugehört wurde
von dort auch nicht. Ein Mädchen, das den Namen Städtische Katholische
Grundschule in seinen ersten zwei Schuljahren oft genug gehört
hatte, wollte ich auch gern einbeziehen, sein Interesse am Gottesdienst wecken.
Es besuchte schließlich die katholische Schule.
Daher fragte ich: "Und du? Bist du eigentlich evangelisch
oder katholisch?"
"Hm ... ich weiß nicht ... hm ... was ist denn
städtisch?“
Ist das nicht wunderbar? Und im nächsten Jahr
bekommen wir noch eine neue Konfession dazu. Welche wohl?
Na – Gemeinschafts natürlich! Allerdings
wird Katholisch
dafür abgeschafft …
© UNik 13.7.10
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